Winni Modesto

Winni Modesto:

Erzieherin und Lyrikerin. Geboren 1986; kam 1990 mit Familie aus dem Südsudan nach Berlin. Aufgewachsen in Friedrichshain. Studiert Sprach- und Literaturwissenschaften an der Freien Universität Berlin.

Winni Modestos Beitrag ist eine bissige Kurzgeschichte, in der die Protagonistin in der S-Bahn zum exotischen Analyseobjekt "unschuldiger Kinderaugen" wird. Die weißen Eltern entlarven ihre Unfähigkeit, den Moment einzudämmen, in dem ihre Tochter zum ersten mal versucht, die Menschen in ihrer Umgebung zu rassifizieren. Ein Erlebnis, das vielen Schwarzen Menschen in Deutschland bekannt ist und auch schon Frantz Fanon in Black Skin, White Masks beschreibt und analysiert ("I was responsible at the same time for my body, for my race, for my ancestors."). Winni Modesto gelingt es, mit Leichtigkeit und scharfer Zunge der weißen Mehrheitsgesellschaft einen schonungslosen Spiegel vorzuhalten. Großes Kino zum Schmunzeln und Fremdschämen!

Leseprobe


Kinderaugen


Und wie sie mich mustern.

Kleine – hier fehlt ein Adjektiv – Kinderaugen.

„Unschuldige Kinderaugen“, heißt es nicht selten.

Immer wieder. Von unten nach oben, bis sie bei meinem Gesicht stehen bleiben. Unsere Augen treffen sich nicht, sie verhaken sich ineinander. Ich versuche zu lächeln. Sie erwidert es nicht. Ganz im Gegenteil. Kleine starre Kinderaugen.

Sie wird nicht lächeln. Sie wird ihren Blick nicht von mir abwenden. Mir ist klar, worauf das hinausläuft: Blickduell, one on one. Aber ich bin nicht in Stimmung. Ich bin stoned. Aber wenn es nicht schlimmer werden soll, muss ich mitspielen. Hier kommst du nur durch, wenn du ganz hart bleibst. Was ist das in ihrem Blick? Neugier würdet ihr sagen? Verachtung erkenne ich. Ekel gepaart mit Verwunderung. Der Mann, der ihr Vater ist, zeigt aus dem Fenster, wo Oma Elli wohnt. Mädchen, dein Vater redet mit dir. Er wird schonungslos ausgeblendet. Sie unterbricht das Duell für einen Moment, aber nur, um nun auf meine Hände zu glotzen. Kleine glotzende Kinderaugen.

Meine Fingernägel sind schmutzig, aber ich weiß, das interessiert sie nicht. Ihre sind es auch. Ich tue, als würde ich in Richtung Tür schauen, aber beobachte sie aus dem Augenwinkel. Ich weiß, wie gefährlich es ist sich abzuwenden, denn dann fangen sie in der Regel an zu reden, andere Glotzer zu mobilisieren. Sie tut es.

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Den ganzen Beitrag finden Sie im Buch Afro Shop.